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Die Pflege ist oft unsichtbar

Wie wird Pflege gemessen? Warum zahlt sich eine gute Pflege langfristig aus? Was braucht es, damit mit vorausschauender Pflege Komplikationen, wie zum Beispiel ein Delir, rechtzeitig erkannt werden können? Rationierung in der Pflege ist ein Schwerpunkt der Forschungstätigkeit von Maria Schubert. Seit Mai 2018 leitet sie zusammen mit André Fringer die Forschungsstelle Pflegewissenschaft sowie den Masterstudiengang in Pflege.

Sie haben jahrelang in der Pflege am Bett gearbeitet. Warum haben Sie angefangen zu forschen?

Während der höheren Fachausbildung bin ich mit der Forschung in Kontakt gekommen. Dabei stellte ich fest, dass es zu vielen pflegerelevanten Themen wenig Forschung gab und viele meiner Fragen unbeantwortet blieben. Das hat mein Interesse geweckt. Neben der Forschung habe ich lange Zeit weiter in der Praxis gearbeitet und dabei gesehen, wie Forschungsergebnisse helfen die Pflege weiterzuentwickeln, im Pflegealltag Zusammenhänge besser zu verstehen und Routinen zu hinterfragen.

So zum Beispiel bei Patienten mit Delir, einem meiner Forschungsschwerpunkte. Da spielt die Pflege eine Schlüsselrolle. Ein Delir ist eine örtliche und zeitliche Desorientierung, Betroffene nehmen Umgebung und Personen falsch wahr. Das Thema Delir ist sehr komplex und vielschichtig. Es gibt viele Forschungsarbeiten dazu, aber wenige schlüssige Antworten, wie dies im Pflegealltag unter Zeitdruck gehandhabt werden kann. Ohne ein definiertes Vorgehen werden Delirien oft nicht erkannt, was sehr unangenehm für die Patienten ist. Das Durcheinander im Kopf macht Angst, führt zu viel Stress und kann Betroffene längerfristig kognitiv stark beeinträchtigen. Werden Delirzustände früh erkannt, können sie gut behandelt werden. Gewisse Symptome können mit Medikamenten gelindert werden. Oft hilft es aber schon, mit delirgefährdeten Patienten im Spitalgang spazieren zu gehen sowie Stress oder zum Beispiel einen Zimmerwechsel zu vermeiden.

Weitere Forschungsschwerpunkte von Ihnen sind die Patientensicherheit und die Rationierung in der Pflege. Was zeigt hier die Forschung?

Studien belegen: Wegen Zeitdruck müssen Pflegende zum Teil notwendige pflegerische Massnahmen weglassen. Meist sind es Handlungen, die sich nicht unmittelbar messen lassen, die aber zu einer ganzheitlichen Pflege dazu gehören. Wie zum Beispiel, Zeit für die Anleitung zur Selbsthilfe oder für die Sorgen und Nöte der Patienten zu haben. Denn Patienten brauchen emotionale und psychische Unterstützung, um gesund zu werden, die Pflegenden sind da meist die ersten Ansprechpersonen. Weggelassen werden zum Teil aber auch Massnahmen, die wichtig sind, um Komplikationen wie Wundliegen oder Delirien vorzubeugen. Eine kompetente Pflegefachperson ist vorausschauend und beobachtet gut. So kann sie frühzeitig Risiken und Probleme erkennen und mit geeigneten Massnahmen gezielt vorbeugen oder behandeln. Die Forschung zeigt weiter, dass eine gute Pflege langfristig günstiger ist. Denn wenn Patienten zum Beispiel wegen ungenügender Pflege stürzen, sich mit Infektionen anstecken, sich wundliegen oder in kritischen Situationen nicht ausreichend betreut werden können, kostet das längerfristig deutlich mehr und kann sogar zu einer höheren Sterberate führen.

Personalknappheit hat auch negative Auswirkungen für die Pflegefachpersonen selbst. Sie kann zu Ausbrennen und zum Berufsausstieg führen. Zudem geht aus der Forschung deutlich hervor: Wenn Pflegende gute Arbeitsbedingungen haben, können sie Patienten besser betreuen. Das Problem an der Pflege ist aber, dass sie oft unsichtbar ist. Wie misst man eine gute Pflege? Wie wird ein Gespräch bewertet, das einem die Angst vor einer Operation nimmt?

Sie haben mehrmals im Ausland studiert und geforscht, unter anderem in den USA, in Kanada und in den Niederlanden und Sie sind in mehreren internationalen Netzwerken tätig. Wieso engagieren Sie sich international?

Wissen aus verschiedenen Ländern zusammenzubringen, ist sehr wichtig, trotz der unterschiedlichen Strukturen und Gesundheitssysteme. Von den bereits gemachten Erfahrungen können Länder, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, profitieren. Der internationale Vergleich zeigt: In der Schweiz bieten Spitäler gute Arbeitsbedingungen. Zudem gibt es hier eine lange Tradition von höherer Fachbildung in der Pflege. Darum ist die Pflege in der Schweiz besser positioniert als in vielen anderen Ländern. Leider haben sich die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren aber verschlechtert und der Spar- und Zeitdruck ist in vielen Institutionen deutlich spürbar.