Neue Technologien – Hightech für Seniorinnen und Senioren

Mit einem digitalen Coach Stress abbauen

Ab 55 schadet Stress der Gesundheit noch stärker als in jüngeren Jahren. Forschende am ZHAW-Institut für Ergotherapie tragen im Rahmen eines EU-Projekts zur Entwicklung eines Systems bei, das älteren Arbeitnehmenden dabei helfen soll, ihr Stresslevel zu reduzieren.

Prinzipiell können ältere Menschen besser mit Belastungen umgehen als junge. Doch Stress führt bei Personen über 55 Jahren häufiger zu Folgekrankheiten wie Depressionen, Angstzuständen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zudem entstehen hohe Kosten: In Europa kommen allein die arbeitsbedingten Depressionen jährlich auf 620 Milliarden Euro zu stehen. Eine Lösung für das Problem soll nun ein System bringen, das einerseits beruflichen Stress messen kann, anderseits schnell wirksame Interventionen anbietet, die während der Arbeit durchgeführt werden können. Der digitale Coach namens mHealthINX wird im Rahmen eines Forschungsprojekts des EU-Programms AAL (Active and Assisted Living) entwickelt. Es ist im März 2020 gestartet und erstreckt sich über drei Jahre. Unter Leitung des Austrian Institute of Technology arbeiten zehn Institutionen aus verschiedenen Ländern zusammen, darunter die Forschungsstelle am ZHAW-Institut für Ergotherapie.

Beruhigende Animation verlangsamt Atem
Kernstück des mHealthINX-Systems ist ein handliches Gerät, das den Stresslevel aufgrund der Herzfrequenz-Variabilität erhebt. Es misst die um einige Millisekunden verschiedenen Abstände zwischen den einzelnen Pulsschlägen, die Hinweise auf die Höhe des Stresshormonspiegels geben. Somit kann das System unterscheiden, ob ein schneller Puls durch eine körperliche Anstrengung oder durch Stress verursacht wurde.

Kernstück des mHealthINX-Systems: Ein Prototyp des Geräts, das die Herzfrequenz-Variabilität und damit die Höhe des Stresshormonspiegels messen kann.

Ist Letzteres der Fall, schlägt die mit dem Gerät verbundene App auf dem Smartphone Methoden vor, um das Stresslevel zu reduzieren. So zum Beispiel ein beruhigendes Spiel, eine Atemübung, die mit einer entspannenden Animation visualisiert wird, oder einen Spaziergang mit einer Virtual-Reality-Brille. «Es ist beeindruckend, wie gut diese einfachen Interventionen wirken», sagt Verena Klamroth-Marganska, Leiterin des Teilprojekts an der ZHAW. Die Anwendung sei zum Beispiel dann sinnvoll, wenn ein richtiger Spaziergang oder eine Pause gerade nicht möglich ist. Nach der Durchführung überprüft das Gerät den Stresslevel erneut.

«Wir wollen älteren Berufstätigen etwas in die Hand geben, mit dem sie ihre Lebensqualität, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden verbessern können.»

Einzigartig am Projekt sei der nutzerzentrierte und wissenschaftsbasierte Ansatz, erklärt die Professorin. Digitale Hilfsmittel mit diversen Entspannungsmethoden gebe es zwar bereits zahlreiche, der Grossteil davon genüge wissenschaftlichen Standards jedoch nicht. Dies hat eine Recherche gezeigt, die Selina Marita Egger, wissenschaftliche Assistentin an der Forschungsstelle Ergotherapie, im Rahmen des Projekts durchgeführt hat.

Ein weiterer Beitrag des ZHAW-Teams besteht aus Gruppeninterviews mit potenziellen Nutzenden und Arbeitgebenden, die Co-Projektleiterin Ursula Meidert in der Schweiz durchgeführt hat. Parallel dazu fanden Interviews in den Niederlanden statt. In Workshops probierten Erwerbstätige über 55 aus verschiedenen Branchen einen Prototyp des Geräts aus. Die meisten schätzten die Innovation als hilfreich ein und zeigten Bereitschaft, es im Arbeitsalltag einzusetzen. Am Ende des Forschungsprojekts soll eine Evaluation stattfinden, bei der das Nutzerverhalten erneut erhoben wird, erläutert Verena Klamroth. «Wir wollen älteren Berufstätigen etwas in die Hand geben, mit dem sie ihre Lebensqualität, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden verbessern können.»


mHealthINX: The mental Health eXperience; Indication – iNtervention – eXperience (Teilprojekt ZHAW)

Co-Projektleitung
Prof. Dr. Verena Klamroth-Marganska und Ursula Meidert (Forschung und Entwicklung, ZHAW-Institut für Ergotherapie)

Projektteam
Selina Marita Egger und Lena Sauerzopf (Forschung und Entwicklung, ZHAW-Institut für Ergotherapie)

Finanzierung
EU und andere internationale Programme (AAL Programme)

Projektpartner
terzStiftung, CREAGY AG, AIT Austrian Institute of Technology GmbH, tanteLouise, Medizinische Universität Wien, mindcoa.ch GmbH, MEDrecord B.V., Game Solutions Lab, Ovos media GmbH