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Arbeiten Roboter bald in der Pflege mit?

Das Gesundheitspersonal ist rar und gleichzeitig wird die Bevölkerung immer älter und braucht mehr Pflege. Können da Roboter einspringen und Pflegende unterstützen? Oder sogar pflegerische Handlungen übernehmen?

Maria Schubert und Nicole Zigan, Forschungsstelle Pflegewissenschaft, sprechen im Interview über Möglichkeiten und Grenzen von Robotern in der Pflege.

Warum forscht ihr über soziale Roboter?

Maria Schubert: Die Roboter sind da. In Pflegeheimen und Spitälern gibt es Pilotversuche mit Robotern. Für viele Pflegende sind Roboter aber noch fremd. Die Angst ist gross, dass die soziale Interaktion vollständig von Robotern übernommen wird und wertvolle Aufgaben, wie für jemanden da sein, verschwinden werden.

Nicole Zigan: In den Medien wird das Thema Roboter regelmässig thematisiert. Es wird sogar davon berichtet, dass diese Maschinen teilweise die Pflege übernehmen können. In Filmen sind Roboter schon selbstständig und können viel. In der Realität sind wir aber noch nicht so weit: Die Roboter kommen gerade aus den Entwicklungslaboren und nehmen nun Einzug in die Praxis. Darum haben wir in unserer Studie genau hingeschaut: Was können Roboter überhaupt? Was sind dabei Chancen und Risiken?

Was für Aufgaben können Roboter denn übernehmen?

Maria Schubert: Es gibt unterschiedliche Roboter: soziale Roboter, Therapieroboter oder Assistenzroboter. Der Assistenzroboter Lio kann Wasserflaschen bringen und aufschrauben, Personen zudecken, Türen aufmachen, Türklinken desinfizieren oder er kann Botengänge übernehmen und zum Beispiel Blutentnahmen ins Labor bringen. Lio kann auch sprechen.

Nicole Zigan: Bekannt ist auch die Therapierobbe Paro. Sie hat weiches Fell und reagiert auf Berührungen mit Schnurren oder Quieken. Sie wird vor allem in Pflegezentren eingesetzt und hilft, mit dementen Menschen Kontakt aufzunehmen. Diese leben oft in einer ganz eigenen Welt und es ist schwierig, Zugang zu ihnen zu finden. Da Paro ähnlich reagiert wie eine Katze oder ein Hund, werden Erinnerungen wach. So gelingen immer wieder Gespräche. Die Therapierobbe hat zudem eine beruhigende Wirkung. Durch ihren Einsatz werden weniger Medikamente benötigt.

Gibt es Länder, in denen Roboter schon vermehrt eingesetzt werden?

Nicole Zigan: In Japan fehlt, wie bei uns, viel Pflegepersonal und gleichzeitig wird die Bevölkerung immer älter und pflegebedürftiger. Die Japanerinnen und Japaner sind offener gegenüber neuen Technologien als wir Menschen in Westeuropa und darum eher bereit, pflegerische Handlungen Robotern zu überlassen. Die Entwicklung von Robotern wurde deshalb in Japan stark vorangetrieben. Zudem haben in Asien die Menschen ein anderes Verhältnis zur Kontrolle als wir hier. Bedenken bezüglich Datenschutz sind weniger stark ausgeprägt.

Maria Schubert: In Japan gibt es Transportroboter, auf die man sich setzen kann und die Patienten von A nach B bringen. Manche Roboter können gar Personen aus dem Bett heben. Diese gibt es auch in Europa, sie werden aber nicht in diesem Umfang eingesetzt wie in Japan.

Wie können soziale Roboter die Arbeit von Health Professionals unterstützen?

Nicole Zigan: Bei einem Pilotprojekt im Kinderspital half ein kleiner humanoider Roboter, die Kinder vor einer Blutentnahme oder einer Impfungen abzulenken. Die Kinder liebten ihn und fragten nach, wenn er nicht da war. In der Forschungsliteratur haben wir auch über gute Erfahrungen bei der Arbeit mit Robotern und Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen gelesen. Roboter drücken sich ohne Emotionen klar aus und helfen so autistischen Kindern, Gestik und Mimik besser zu verstehen wie zum Beispiel der Unterschied zwischen einem freundlichen und einem ernsten Gesicht. Zudem beantworten Roboter, ohne die Geduld zu verlieren, immer wieder die gleichen Fragen und können so Orientierung geben.

Maria Schubert: Ein Roboter ist nie gestresst und bleibt ruhig. Diese Ruhe kann sich auf unruhige oder verwirrte Patientinnen und Patienten übertragen. Er erledigt auch monotone oder repetitive Arbeiten, ohne zu ermüden. Zudem kann er weite Wege für Pflegende ins Labor oder in die Apotheke übernehmen. Und Roboter können keine Krankheiten übertragen. Die meisten Forschungsarbeiten kommen zum Schluss, dass der Einsatz von Robotern genau überlegt sein muss. Roboter sollten als Brückenbauer zwischen den Patienten und den Pflegenden funktionieren. Sie sollten also die Pflegenden nicht ersetzten, sondern sie unterstützen.

Was sind die Herausforderungen beim Einsatz von Robotern?

Maria Schubert: Grundsätzlich kann sich jede und jeder ein Roboter kaufen. Vieles ist aber noch nicht geregelt, gerade bezüglich Datenschutz. Was passiert mit den Daten, die ein Roboter aufzeichnet? Zudem sind Roboter in der Handhabung nicht einfach, das Programmieren ist anspruchsvoll. Er kann nicht einfach auf eine Station gebracht werden und anfangen zu arbeiten Die Einsatzgebiete müssen klar einprogrammiert und trainiert werden. Und die Technik des Roboters muss mit der Technik der Station kompatibel sein. Darum besteht auch die Gefahr, dass er schlussendlich mehr im Wege steht oder gar nicht verwendet wird. Der Einsatz von Robotern hat Grenzen, zum Beispiel kann er nur beschränkt auf sein Gegenüber eingehen, nonverbale Signale versteht er nicht. Schlussendlich ist es doch nur eine programmierte Maschine.

Nicole Zigan: Noch offen und zunehmend komplex sind Haftungsfragen. Wer ist verantwortlich, wenn der Roboter einen Fehler macht oder durch seinen Einsatz ein Menschen zu Schaden kommt? Ist das der Roboter selbst oder der Mensch, der ihn programmierte hat, oder sind es diejenigen, die ihn einsetzen? Was passiert bei einer technischen Störung? Ein Roboter darf bei einer Panne nicht einfach jemanden fallen lassen.
Manchmal sind es auch kleine Sachen, die Probleme machen, zum Beispiel beim Einsatz im häuslichen Umfeld. Für Roboter stellen Teppichkanten ein Problem dar und sie haben zu wenig Platz in engen Räumen. Gegenstände wie ein Rollator, der im Wohnzimmer herumsteht, können Roboter irritieren. Bisher ist Treppensteigen für Roboter nicht möglich. Zudem sind sie schwer und sperrig.

Was sind die Ängste von Patientinnen und Patienten?

Nicole Zigan: Wir haben mit Senioren in Round-Table-Gesprächen über den Einsatz von Robotern gesprochen. Dabei sind viele Fragen aufgekommen. Ein Roboter sammelt konstant Daten. Möchte man 24 Stunden am Tag seine persönlichen Daten preisgeben? Soll der Roboter die alten Menschen den ganzen Tag lang an das Trinken oder die Medikamente erinnern? Wie weit geht man da? Sollte unser Verhalten tatsächlich nach einem Roboter genormt werden? Diskutiert wurde auch, dass ein Roboter nicht mitdenken kann. Was passiert, wenn er einen Fehler macht? Zum Beispiel ein Glas Wasser verschüttet? Wischt er auf und holt ein neues Glas Wasser?

Roboter empfinden selbst keine Emotionen, können aber Emotionen auslösen. Wie gross ist die Gefahr, Patientinnen und Patienten so zu täuschen?

Maria Schubert: Dies wird in der Forschungsliteratur kontrovers diskutiert. Was spricht dagegen, wenn jemandem die Interaktion mit dem Roboter guttut? Menschen bauen ja auch zu anderen Geräten, wie zum Auto oder zum Laptop, eine Beziehung auf und sprechen mit diesen Dingen. Realisieren junge Kinder oder demente Menschen aber, dass der Roboter nur eine Maschine ist? Oder werden sie getäuscht? Ist es in Ordnung zu einem Roboter eine Beziehung aufzubauen? Gebrechliche oder demente Personen können sich gegen den Einfluss eines Roboters wenig wehren, wenn sie mit ihm allein sind. Sie können den Roboter nicht ausschalten. Muss der Roboter darum beaufsichtigt werden? Wer macht das mit welchem Aufwand? Hier sind noch ganz viele Fragen offen. Darum muss der Einsatz sorgfältig reflektiert werden.

Wie schätzt ihr für die Zukunft den Einsatz von Robotern im Schweizer Gesundheitswesen ein?

Nicole Zigan: Roboter werden weiterentwickelt und sie werden vermehrt zum Einsatz kommen. Es braucht aber mehr Co-Entwicklung, bis ein Roboter tatsächlich zu einem Pflegeteam gehört und dort mithelfen kann.

Maria Schubert: Therapie und Beschäftigung mit Robotern können zunehmen. Braucht es aber wirklich humanoide Roboter, um die Pflegenden zu entlasten? Oder wird sich eine andere Technologie durchsetzen, wie zum Beispiel selbstfahrende Wagen für Wäschetransport?

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