Die soziale und ökonomische Dimension von stationärem vs. Online-Handel

E-Commerce hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. In der Schweiz ist der Anteil der Online-Bestellungen am gesamten Einzelhandelsvolumen zwischen 2008 und 2020 von 3,5 % auf 11,8 % gestiegen. Dieser Trend wurde durch die COVID-19-Pandemie zusätzlich verstärkt. Im Zusammenhang mit dem Wachstumstrend des Online-Handels stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit. Wie nachhaltig ist es eigentlich, wenn Produkte im Internet bestellt statt stationär eingekauft werden?

Im Fokus dieses Blogbeitrags steht der Medikamentenhandel. Ziel ist es den Online- und stationären Handel von Medikamenten zu analysieren, um abzuleiten, welche der beiden Handelsformen nachhaltiger ist. Als Ergänzung zur vorgängig erfolgten Analyse der ökologischen Nachhaltigkeit beider Handelsformen sollen nun insbesondere ökonomische und soziale Nachhaltigkeit vergleichen werden.

Der Onlinehandel mit Gesundheitsprodukten weisst noch eine geringe Maturität auf, befindet sich aber kurz vor einer Wachstumsphase und ist daher als Betrachtungsobjekt von besonderem Interesse. Zudem bieten Online-Apotheken in der Schweiz aktuell nur ein begrenztes Sortiment an, da derzeit noch gesetzliche Hürden bezüglich des Verkaufs von OTC (Over-the-Counter) Arzneimitteln bestehen. Daher ist der Anteil des E-Commerce am Medikamentenhandel in der Schweiz heute mit 8 % relativ gering. Es wird erwartet, dass diese gesetzlichen Hürden in naher Zukunft fallen, wodurch eine Wachstumsphase erfolgen wird.

Die stationären Apotheken der Zukunft werden zunehmend eine Gatekeeperfunktion der Gesundheitsversorgung übernehmen, wobei das Erbringen von Beratungsleistungen und Dienstleistungen im Vordergrund stehen

Unsere Analyse hat ergeben, dass die jährlichen Steuereinnahmen aus dem Apothekengeschäft für die Schweiz auf 57,4 Millionen Franken geschätzt werden können. Aus wirtschaftlicher Sicht können Online-Apotheken eine bessere Kostenstruktur erreichen, weil durch die Zentralisierung weniger Verwaltungskosten anfallen und durch ein effizienteres Vertriebsnetz Logistikkosten eingespart werden können. Diese Effizienzgewinne könnten entweder direkt an die Gesellschaft weitergegeben werden, indem die Kosten pro Medikamentenpackung gesenkt werden, oder indirekt, durch gesteigerte Steuereinnahmen aufgrund höherer Gewinne, sofern die Gewinne nicht reinvestiert werden. Aus unternehmerischer Sicht bietet die zentralisierte Struktur einer Online-Apotheke aber auch die Möglichkeit, Steuervorteile besser zu nutzen. So kann beispielsweise der Sitz einer Apotheke in einen steuergünstigen Kanton verlegt und die Steuerzahlungen reduziert werden. Aus ökonomischer Sicht bedeutet dies jedoch einen Wohlfahrtsverlust. Solche Gewinnverlagerungen können zu einem Rückgang der Steuereinnahmen von schätzungsweise 1,3 bis 12,2 Millionen Franken oder 2,3 bis 21% des Steuersubstrats führen.

Ökonomische Vorteile aus dem Betrieb von stationären Apotheken ergeben sich aus höheren Steuereinnahmen, die sich aufgrund der Bevölkerungsverteilung auf die ganze Schweiz und alle Kantone verteilen. Dies verhindert eine Abwanderung von Steuergeldern in Niedrigsteuerkantone. Auf diese Weise bleiben Arbeitsplätze und Steuereinnahmen in den Regionen erhalten. Eine Stärkung der Regionen kann zudem das Gefälle zwischen wirtschaftsstarken und -schwachen Kantonen verringern und damit den interkantonalen Finanzausgleich reduzieren.

Aus sozialer Nachhaltigkeitsperspektive wirken sich Online-Apotheken nachteilig aus. Durch die Zentralisierung von Online-Apotheken mit steigenden Umsätzen ist ein Rückgang an stationären Apotheken zu erwarten. Dies bedeutet einen Arbeitsplatzverlust in den Regionen und reduzierte soziale Begegnungszonen und damit auch weniger Möglichkeiten für sozialen Austausch von älteren und einsamen Personen.

Die stationäre Apotheken der Zukunft werden zunehmend eine Gatekeeperfunktion der Gesundheitsversorgung übernehmen, wobei das Erbringen von Dienstleistungen und Beratungsleistungen im Vordergrund stehen. Zudem wird mit zunehmender Digitalisierung der Anteil an stationären Apotheken mit einem Onlinesortiment und einem Click&Collect Service zunehmen. Sobald die rechtlichen Hürden gefallen sind, wird sich der Onlinehandel mit Medikamenten auf wenige grosse Anbieter konzentrieren. Zusätzlich wird sich die Struktur der Apothekentypen verändern. Es besteht die Möglichkeit, dass grosse Marktteilnehmer das Apothekengeschäft übernehmen und Gruppierungen und Einzelapotheken nicht mehr erhalten bleiben werden.


Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *