Mehr Beratung – weniger Rehospitalisationen

Gebrechliche Menschen haben ein hohes Risiko, wenige Wochen nach der Spitalentlassung wieder hospitalisiert zu werden. Oft sind zu frühe oder schlecht geplante Austritte sowie eine mangelhafte Koordination im Gesundheitssystem die Gründe. Rehospitalisationen liessen sich jedoch vermeiden, sind sich Wissenschaft und Praxis einig.

Marion Loher

Ein Spitalaufenthalt ist für Menschen jeglichen Alters eine emotionale Herausforderung. Noch belastender kann er für ältere, gebrechliche Personen sein: Sie können aufgrund ihrer körperlichen Verfassung chirurgische Eingriffe und Traumata schlechter bewältigen. Und auch die Psyche leidet verstärkt. «Ältere, gebrechliche Menschen sind sehr labil», sagt Maria Schubert, Co-Leiterin Forschung und Entwicklung am Institut für Pflege der ZHAW, «und eine Spitaleinweisung kann sie gänzlich aus dem Gleichgewicht bringen. Dadurch können sich schnell Komplikationen entwickeln.» Diese Personen sind denn auch sehr anfällig für Rehospitalisationen. Das heisst, dass sie innerhalb von 30 Tagen nach ihrer Spitalentlassung wieder hospitalisiert werden müssen.

Schlecht geplante Austritte

Dabei wird zwischen erwarteten Rehospitalisationen wie bei Folgebehandlungen von Tumor-Patient:innen und vermeidbaren Wiedereintritten unterschieden. Letztere kämen vor allem bei älteren Menschen mit einer Herzinsuffizienz, auch Herzschwäche genannt, vor, weiss Nicole Zigan, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin ebenfalls am Institut für Pflege forscht. «Meistens kommen diese Personen mit Atemnot in den Notfall, weil sich in ihrem Körper Wasser angesammelt hat und dieses in die Lunge drückt.» Im Spital wird dann mithilfe von Medikamenten das Wasser aus dem Körper geschwemmt. Den Patient:innen geht es ziemlich schnell wieder besser und sie können rasch entlassen werden. «Wenn sie aber nicht gründlich darüber informiert werden, wie wichtig es ist, die Therapie zu Hause weiterzuführen, dann landen sie wieder notfallmässig im Spital», sagt Zigan.

Die beiden Pflege-Studentinnen Michaela Müller und Valerie Ryser haben in ihrer Bachelorarbeit das Phänomen von Gebrechlichkeit und Rehospitalisationen untersucht. Sie schreiben, dass in der Schweiz jährlich rund 1500 Personen über 65 Jahre, die an Gebrechlichkeit oder der Vorstufe davon leiden, eine potenziell vermeidbare Rehospitalisation erleben. Als Ursache geben die Autorinnen «zu früh oder schlecht geplante Austritte sowie eine mangelhafte Koordination im Gesundheitssystem» an. Dem kann Maria Schubert nur zustimmen. «Die Spitalaufenthalte sind in den vergangenen Jahren aus Kostengründen kürzer geworden, die Informationen an die Patient:innen dürftiger», sagt sie. Und leider fehle es vielen Spitälern an Angeboten, die die Patient:innen auf den Austritt vorbereiteten. Doch genau dies wäre eine wichtige Massnahme, um Rehospitalisationen zu vermeiden.

Grosse Informationslücken

«Viele ältere Menschen leben allein, sind weniger mobil und gerade deshalb auch im Krankheitsfall auf ein gut funktionierendes Netzwerk aus Angehörigen, Hausärzt:innen, Pflegefachpersonen und Spitex-Mitarbeitenden angewiesen.» Zwischen den verschiedenen Betreuenden gebe es jedoch grosse Informationslücken, so dass Patient:innen oft auf sich allein gestellt seien. Als Beispiel nennt Nicole Zigan das Thema Medikation. Im Spital würden Medikamente aus Kostengründen oft durch Generika ersetzt. «Gebrechliche Menschen reagieren auf solche Veränderungen empfindlich, und es ist wichtig, dass ihnen oder ihren betreuenden Angehörigen erklärt wird, weshalb das gewohnte Medikament nun anders heisst und bei welchen Anzeichen sie sich beim Arzt oder bei der Ärztin melden sollten.»

Bei Herzinsuffizienz müssen die Medikamente zu Hause weiter genommen werden, um eine erneute Wasseransammlung im Körper zu vermeiden. «Viele Patient:innen nehmen die Tabletten aber nach dem Austritt nicht mehr konsequent ein, da sie wieder gut atmen können und es ihnen auch Mühe macht, mehrmals täglich auf die Toilette zu gehen, was bei dieser Therapie aber dazugehört», sagt Zigan. Da sei eine Rehospitalisation fast vorprogrammiert.

Qualität in Spitälern ist hoch

Susanne Gedamke kennt das Problem. Bei der Geschäftsführerin der Schweizerischen Patientenorganisation (SPO) landen immer wieder Beschwerden von Patient:innen und Angehörigen wegen Rehospitalisationen auf dem Tisch. Sie sagt, es liege insbesondere daran, weil Spitäler nun mal wirtschaftlich arbeiten müssten und es lukrative und weniger lukrative Behandlungen gebe. «Es kommt vor, dass Patient:innen aus ökonomischen, aber nicht aus medizinischen Gründen entlassen werden.» Die Qualität im Gesundheitswesen bezeichnet sie dennoch als hoch.

Dies ist auch das Ergebnis einer Studie von Obsan, dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium, die im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit BAG von 2012 bis 2019 durchgeführt wurde. Dabei wurden in allen Spitälern und Kliniken der Schweiz die Auswirkungen der Revision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung auf die Qualität der stationären Spitalleistungen untersucht. Im Fazit heisst es, dass es zu keiner Verschlechterung der Qualität gekommen sei.

Die Studie weist jedoch auch eine Zunahme der Anzahl Rehospitalisationen in der Akutsomatik aus. Ob dies mit einem Rückgang der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer zusammenhängt und daher eine Verschlechterung der Behandlungsqualität widerspiegelt, ist gemäss Studien- und ObsanLeiter Marcel Widmer «kaum zu beurteilen». Die Vergleichbarkeit von Rehospitalisationen sei sehr eingeschränkt, da sich Patient:innen über einen längeren Zeitraum veränderten. «Aufgrund der demografischen Entwicklung und der Verlagerung von der stationären auf die ambulante Versorgung sind im stationären Bereich die Patient:innen älter und kränker.» Deshalb und weil es eine einmalige Studie sei, sei die Zahl mit Vorsicht zu geniessen.

Regelmässige Gespräche und Fallmanager:in

Die beiden Bachelor-Absolventinnen kommen in ihrer Arbeit zum Schluss, dass Rehospitalisationen vermieden werden können, indem bereits auf der Notfallstation oder in der stationären Versorgung mit der Vorbereitung auf den Austritt begonnen und die Betreuung dann entweder ambulant oder im Alters- und Pflegeheim weitergeführt wird. Das sehen auch die Wissenschaftlerinnen Maria Schubert und Nicole Zigan so. Um dieses Ziel zu erreichen, muss ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Betreuenden, also zwischen Angehörigen, Pflegenden, Hausärzt:innen, Physiotherapeut:innen, Spitex- und Sozialdienst-Mitarbeitenden verbessert werden.

Für die Spitex ist es beispielsweise wichtig, dass sie bereits während des Spitalaufenthalts der Patient:innen an der Austrittsplanung mitwirken kann. «Dann sind unsere Organisationen früher und besser informiert», sagt Francesca Heiniger, Kommunikationsverantwortliche von Spitex Schweiz, «und es erleichtert beispielsweise die Einsatzplanung des Personals oder die Organisation von weiteren Hilfsmitteln.» Damit eine bessere Koordination gelingen kann, schlägt sie ausserdem regelmässige Rundtischgespräche vor. Für Maria Schubert braucht es derweil mehr. «Ideal wäre eine Art Fallmanager:in, der oder die den Lead übernimmt», sagt die Wissenschaftlerin. «Im Institut für Pflege beschäftigen wir uns derzeit mit der neuen Rolle von Advanced Practice Nursing, und dies könnte eine Möglichkeit sein.»

Susanne Gedamke von der Schweizerischen Patientenorganisation würde sich wünschen, dass die Patient:innen noch mehr in ihrer Gesamtheit betrachtet würden. «Eine erfolgreiche Nachbehandlung geht weit über die medizinische Versorgung hinaus. Und da können wir bezüglich Lebensqualität, und was das für ältere, gebrechliche Menschen heisst, noch einiges tun.» //


Mehr Selbstmanagement für COPD-Patient:innen

Das Universitätsspital Zürich (USZ) hat für Patient:innen mit der chronischen Lungenkrankheit COPD ein Programm erarbeitet, das das Ziel hat, Rehospitalisationen zu vermeiden und gleichzeitig die Lebensqualität dieser Menschen zu erhöhen. Das Programm beginnt beim ersten Spitalaufenthalt und beinhaltet verschiedene Interventionen. Eine davon ist die Beratung durch Fachpersonen wie Advanced Practice Nurses, die auch an der ZHAW mit dem Master of Science in Pflege ausgebildet werden. Bei den Beratungen geht es nebst therapeutischen Massnahmen wie Bewegung und Rauchstopp auch darum, wie die Patient:innen eine Lungenattacke erkennen und richtig reagieren.

«Der Schwerpunkt liegt auf dem Selbstmanagement», sagt Gabriela Schmid-Mohler, klinische Pflegewissenschaftlerin am USZ. Mithilfe eines Aktionsplans wissen die Patient:innen, was sie bei welchen Symptomen tun müssen. Dabei wird auch der Hausarzt oder die Pneumologin einbezogen. Ebenfalls zum Programm gehören regelmässige Telefonanrufe. «Die Patient:innen schätzen den niederschwelligen Austausch, bei dem sie ihre Anliegen besprechen können», sagt sie. Durch diese Interventionen seien schon viele Lungenattacken frühzeitig erkannt und behandelt worden. «Bei einigen haben wir vermutlich auch eine Rehospitalisation vermeiden können.» Schmid-Mohler ist überzeugt, dass von einer engen Betreuung und guten Kommunikation in einem multiprofessionellen Team auch andere Patient:innen-Gruppen profitieren können.

Vitamin G, S. 25-27


Weitere Informationen

Magazin «Vitamin G – für Health Professionals mit Weitblick»


1 Kommentar

  • Wenn die Spitäler und Krankenhäuser gut aufgestellt sind und auch selbst beraten werden, dann kann eine Rehospitalisationen zumindest in der Anzahl verringert werden. Hierzu sollten sie sich ein extra Beratungsunternehmen fürs Gesundheitswesen zur Rate ziehen.


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