Wie blicken ältere Erwachsene auf die Covid-19-Pandemie zurück?

zusammengefasst von Sofia-Marie Oehlke

 

Erinnerungen helfen uns, vergangene Momente unseres Lebens nochmals zu besuchen. Abhängig von unserem Alter, blicken wir unterschiedlich auf unsere Vergangenheit zurück. Zum Beispiel: Erzählen ältere Menschen Geschichten aus ihrem Leben, verwenden sie eher positive Wörter und heben selbst in den schwierigsten Lebenslagen erfreuliche Inhalte hervor. Dieses Phänomen wird in der Forschung „Positivitätseffekt“ genannt und beschränkt sich nicht nur auf persönliche Erlebnisse.

Nach dem Anschlag auf den Boston-Marathon in den USA im Jahr 2013, wurden Bürger*innen der Stadt im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie zu ihren Erinnerungen an dieses Ereignis befragt. Anfangs dachten Teilnehmende aller Altersgruppen vor allem an bedrückende Inhalte des Attentats. Sechs Monate später gingen überraschend ältere Erwachsene vermehrt auf positive Aspekte ein, wie den Zusammenhalt der Stadt oder den heldenhaften Mut der Rettungskräfte. Die Forscher*innen schlussfolgerten, dass ältere Erwachsene sowohl aus positiven als auch negativen Inhalten eines Ereignisses eine Erinnerung formen. Nach ausreichender Zeit sind sie aber in der Lage, Positives hervorzuheben und das Erlebnis in einem besseren Licht zu betrachten.

Anders als der Anschlag auf den Boston-Marathon, ist die aktuelle Covid-19-Pandemie ein weltweit anhaltendes Ereignis und besonders die körperliche Gesundheit älterer Menschen ist gefährdet. Zeigen ältere Personen auch einen „Positivitätseffekt“, wenn sie an eine frühere Phase der noch vorherrschenden Pandemie denken? Diese Frage stellte sich ein Team des amerikanischen Boston College. Im Sommer und Herbst 2020 befragten die Forscher*innen über 500 amerikanische und kanadische Erwachsene zwischen 18 und 90 Jahren. Die Teilnehmenden wurden gebeten, an die erste Welle der Pandemie im Frühling 2020 zu denken. Sie sollten einschätzen, wie positiv, negativ und lebendig ihre Erinnerungen sind. Zudem beschrieben sie ihre erfreulichsten beziehungsweise herausforderndsten Momente dieses Zeitraums.

Die Ergebnisse bestätigen die bisherige Forschung: Auch wenn alle Befragten negative Erinnerungen hatten, machten ältere Erwachsene auf positive Themen aufmerksam, wie Hoffnung oder Gemeinschaftsgefühle. Darüber hinaus empfanden ältere Erwachsene erfreuliche Erinnerungen als lebendiger. Spannend ist, dass sich die Angaben der Teilnehmenden bei der zweiten, späteren Befragung nicht änderten. Daraus schließen die Forscher*innen, dass verstreichende Zeit allein nicht ausreicht, um einen „Positivitätseffekt“ im höheren Alter zu erklären. Die Ergebnisse sind jedoch mit Vorsicht zu genießen: Die Mehrheit der Teilnehmenden erfreute sich guter Gesundheit und hat einen hohen Bildungsstand. Möglicherweise erlebten sie die Pandemie als weniger stressig, da sie nicht von Schicksalsschlägen, wie Arbeits- oder Wohnungsnot, bedroht waren.

Ein fortgeschrittenes Alter bedeutet aktuell, Teil einer Risikogruppe zu sein. Durch Kontaktbeschränkungen werden ältere Menschen vor der Pandemie geschützt, gleichzeitig sind sie dadurch von gesellschaftlicher Ausgrenzung bedroht. Wir sollten nicht vergessen, dass ein höheres Alter auch Vorteile mit sich bringen kann: Es hilft Menschen positiver zu sein, sich an das Gute zu erinnern und auch in Zeiten der Pandemie den Silberstreif am Horizont zu erkennen.

 

Ford, J. H., Garcia, S. M., Fields, E. C., Cunningham, T. J., & Kensinger, E. A. (2021). Older adults remember more positive aspects of the COVID-19 pandemic. Psychology and aging, 36(6), 694–699. doi.org/10.1037/pag0000636

 Podcast: Wie blicken ältere Erwachsene auf die Covid-19-Pandemie zurück?


Wo kann man den Podcast "Neues aus der Forschung" hören?

Unsere Beiträge können Sie sich bequem auf unserer Website, aber auch auf SpotifyiTunes und Soundcloud anhören!