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Rückblick auf das Interprofessionelle Symposium zu Advanced Practice 2023

«Collective Leadership for Advanced Practitioners» – unter diesem Motto fand das dritte interprofessionelle Symposium zur Advanced Practice statt. Rund 130 Fachpersonen nahmen am Anlass in Winterthur teil, den das ZHAW-Departement Gesundheit organisiert hatte.

Weniger Hierarchien, mehr Mitgefühl

Advance Practitioners sollen den Fachkräftemangel entschärfen und den Gesundheitsberuf attraktiver machen. Übernehmen sie aber eine Leitungsfunktion, stossen sie oft auf Widerstand von oben. Mit einem mitfühlenden und kollektiven Führungsstil liesse sich dies ändern, wie Michael West, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie, am 3. Interprofessionellen Symposium zu Advanced Practice des ZHAW-Departements Gesundheit ausführte.

Kathrin Hillewerth ist Pflegeexpertin, Eduard Vlajkovic ist Arzt. Beide arbeiten im Spital Zollikerberg am Zürcher Stadtrand in unterschiedlichen Kliniken. Aber beide sind in einer Führungsposition tätig und leiten ihre Kliniken in einer interprofessionellen Co-Leitung. Und das seit über zehn Jahren. Kathrin Hillewerth verantwortet zusammen mit einem Kollegen aus der Ärzteschaft die Klinik für Chirurgie. Eduard Vlajkovic führt mit einer Kollegin aus dem Pflege- und Managementbereich die Frauenklinik.

Als grossen Vorteil dieser kollektiven Führungsstruktur bezeichnet er den kommunikativen Austausch. «Ich habe immer jemanden, mit dem ich Projekte und Probleme besprechen und Entscheide treffen kann.» Zudem sei er, wenn seine Kollegin nicht da sei, auch für ihren Bereich, also für die Pflegekräfte und die Hebammen, für die Hotellerie und das Sekretariat verantwortlich. «Dadurch ist das Teamgefühl gewachsen», sagt Eduard Vlajkovic.

In die Entscheide miteinbezogen werden

Kathrin Hillewerth kennt das. Auch sie ist bei Abwesenheit ihres Kollegen für dessen Bereich zuständig. «Es hat meine Perspektive auf die Ärzt:innen und ihre Rolle verändert.» Zu Beginn traf sie sich einmal pro Woche mit ihrem Kollegen für eine Stunde, um ihn und die jeweiligen Bereiche besser kennenzulernen. «Wir dachten, das brauchen wir vor allem in der Anfangsphase und später nicht mehr», sagt die Co-Klinikleiterin. Dem war aber nicht so. Die wöchentlichen Treffen sind bis heute geblieben, was beide sehr schätzen. Beide werden in die fachlichen und personellen Entscheide des anderen miteinbezogen. Und dafür müsse man die andere Seite gut kennen, sagt Kathrin Hillewerth.

Die Verantwortlichen der Frauenklinik hingegen trafen sich zunächst «spontan zum Kafi». Doch sie merkten schnell, dass es eine Systematik benötigt. Folglich reservierten sie sich jeden Morgen eine halbe Stunde, was mit der Zeit «etwas viel» war, wie der Co-Leiter erzählt. Heute findet der Austausch zwei- bis drei Mal in der Woche statt. Das klappe gut. «Wenn wir etwas verändern wollen, können wir dies nur gemeinsam und mit dem Mitarbeitenden tun», sind sich Eduard Vlajkovic und Kathrin Hillewerth einig.

«Die Entscheide werden nicht über die Köpfe der Mitarbeitenden hinweg getroffen, sondern gemeinsam gefällt.»

Kathrin Hillewerth, Co-Leiterin Klinik für Chirurgie, Spital Zollikerberg

«Mehr Mitgefühl benötigt nicht mehr Zeit»

Einer, der sich mit dem kollektiven Führungsstil bestens auskennt, ist Michael West. Der Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Lancaster University Management School und Senior Visiting Fellow am The King’s Fund in London sagt: «In vielen Ländern steckt das Gesundheitssystem in seiner bisher grössten Krise: Viele Mitarbeitende sind gestresst und chronisch überlastet, Personal ist nur schwierig zu finden. Um diese Herausforderungen zu meistern, braucht es Transformation, Innovation, Mut und – vor allem – Mitgefühl.» Er ist denn auch ein grosser Verfechter des «compassionate and collective leadership». 2020 erhielt er den Orden «Commander of the Order of the British Empire» (CBE) für seine Verdienste um Mitgefühl und Innovation im Gesundheitswesen.

Michael West ist übezeugt, dass Advanced Practitioners den Lead bei der Erarbeitung eines mitfühlenden und kollektiven Führungsstils übernehmen könnten. «Dabei gehe es aber nicht nur um das Gefühl allein, sondern auch darum, der Kollegin oder dem Kollegen aufmerksam zuzuhören, Verständnis und Empathie zu zeigen und motiviert zu sein, der Person gegenüber helfen zu wollen.» Das wirke sich positiv auf die Patient:innen, Klient:innen und das gesamte interprofessionelle Team aus. Allerdings gebe es immer wieder Advanced Practitioners, die sagten, sie hätten im Alltag keine Zeit für mehr Mitgefühl. «Ihnen sage ich dann, dass mehr Mitgefühl nicht zeitaufwändiger ist, was auch die Forschung zeigt.» Studien hätten ergeben: Je grösser eine mitfühlende Führung ist, desto weniger Depressionen, Ängste und Stress gebe es bei den Mitarbeitenden.

«Die Schweiz ist ein kleines Land und ein Kulturwandel im Gesundheitswesen deshalb eher möglich.»

Michael West, Professor für Organisationspsychologie, Universität Lancaster

 

Gelebte Selbstfürsorge

Michael West, der auch Autor, (Mit-)Herausgeber von 20 Büchern ist und mehr als 200 Artikel zu diesem Thema publiziert hat, sieht es als Aufgabe der Vorgesetzten, die «Compassion» im Führungsstil zu integrieren. Gleichzeitig sei es wichtig, die Mitarbeitenden zu ermutigen und zu befähigen, in ihrer Arbeit eine Führungsrolle zu übernehmen. Denn oftmals fehle ihnen das Gefühl von Selbstständigkeit, Dazugehörigkeit oder Wertschätzung. Allerdings könne man anderen nur dann Mitgefühl entgegenbringen, wenn man sich auch um sich selbst kümmert. Dabei gehe es nicht um «narzisstische Selbstverwirklichung», sondern um gelebte Selbstfürsorge. «Und die kann eine positive Team-Dynamik in Gang bringen.»

Michael West ist überzeugt, dass die Schweiz aufgrund ihres politischen Systems der direkten Demokratie gute Voraussetzungen für eine kollektive Führungskultur hat. «Schweizer:innen wissen, wie man lösungsorientiert diskutiert und Konflikte austrägt.» Zudem sei die Schweiz ein kleines Land und ein Kulturwandel im Gesundheitswesen deshalb eher möglich.

Entscheide werden gemeinsam gefällt

In der Klinik für Chirurgie im Spital Zollikerberg wurden vor drei Jahren soziokratische Strukturen eingeführt, die die partnerschaftliche Zusammenarbeit spiegeln. Ziel dabei ist: Mitgestalten und mitentscheiden, aber auch mehr mitzuverantworten. Die klassischen Sitzungen auf Führungsebene gibt es gemäss Co-Leiterin Kathrin Hillewerth nicht mehr, dafür den sogenannten allgemeinen Kreis der Klinik. Hier sitzen nebst den Führungspersonen auch Vertreter:innen der Teams, die als Delegierte demokratisch gewählt wurden. «Die Idee ist, dass die Entscheide nicht über die Köpfe der Mitarbeitenden hinweg getroffen, sondern gemeinsam gefällt werden. Und es funktioniert sehr gut», sagt sie, betont aber auch, dass Führungspersonen Macht abgeben müssten, sonst gehe es nicht.

Die Frauenklinik ist einen anderen Weg gegangen. «Wir haben eine Art Klinikkonferenz gebildet, die einmal im Monat stattfindet», sagt Eduard Vlajkovic. Dabei wurden Vertreter:innen verschiedenster Bereiche integriert und die Konferenz wuchs auf 14 Personen an. Zu viele, wie man bald realisierte. «Für das Tagesgeschäft war die Konferenz zu träge.» Daraufhin wurde die Struktur wieder überarbeitet und das Konstrukt der erweiterten Klinikleitung geschaffen, der nebst der Co-Leitung Ärzt:innen, Pflegende und Vertreter:innen der ambulanten Plattformen angehören. Sie treffen sich wöchentlich für mehrere Stunden. Der Pace ist hoch, es wird viel diskutiert. «Eine Debatte im Führungsteam ist zentral für ein gemeinsames Verständnis von Aufgaben, Zielen, Problemen und deren Lösungen», sagt Eduard Vlajkovic.

«Das Teamgefühl ist gewachsen.»

Eduard Vlajkovic, Co-Leiter Frauenklinik, Spital Zollikerberg

Am 3. Interprofessionellen Symposium zu Advanced Practice des Departements Gesundheit der ZHAW in Winterthur vom 17. Juni 2023 drehte sich alles um das Thema «Collective Leadership for Advanced Practitioners». Anhand von verschiedenen Referaten und Workshops wurde aufgezeigt, wie «Collective Leadership» in Advanced Practice Rollen umgesetzt werden kann und was dazu benötigt wird. Nebst Michael West, Professor für Organisationspsychologie, Lancaster University Management School und Senior Visiting Fellow am The King’s Fund, sowie Eduard Vlajkovic, Klinikleiter Frauenklinik, und Kathrin Hillewerth, Klinikleiterin Chirurgie, Spital Zollikerberg, waren auch Mel Eissens, Fachteamleiterin Handtherapie am Kantonsspital Winterthur, und Robert Durach, Direktor Therapien der Kliniken Valens, zu Gast. Mel Eissens sprach über ihre Erfahrungen mit «Compassionate and Collective Leadership», und Robert Durach stellte die therapeutische Entscheidungsbeteiligung und -findung in den Kliniken Valens vor. 130 Health Professionals aus den Bereichen Hebamme, Pflege, Ergotherapie, Physiotherapie und Ernährungsberatung haben am Symposium teilgenommen.

Download der Präsentationsfolien

Gerne stellen Ihnen die Referent:innen des Symposiums ihre Präsentationsfolien als PDF zum Download zur Verfügung. Bitte beachten Sie, dass die Unterlagen nicht weitergegeben oder publiziert werden dürfen.

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