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Sehr geehrte Damen und Herren,

unten stehend erhalten Sie wieder aktuelle Informationen über unsere Fachgruppe Faserverbundkonstruktionen.
Es ist uns ein grosses Anliegen, Baufachleuten und Interessierten aktuelle Nachrichten aus unserem Fachgebiet zugänglich zu machen. Im Speziellen zu Themen im Bauwesen rund um den Einsatz von Composites und Carbon für tragende Anwendungen.

In dieser Ausgabe berichten wir über zwei Brücken-Bauwerke in glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK), die anfangs 2000 nach erfolgreicher Entwicklung und Materialprüfung von Prototypen erstellt werden konnten.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und grüssen Sie freundlich,

Prof. Josef Kurath, Alexis Ringli, Christian Lowiner, Rebecca Lutz
Ihre Fachgruppe FVK
 
 
 
FVK Brücken im Dauereinsatz
Die letzten 20 Jahre
Im Rahmen zweier KTI-Forschungsprojekte (Innosuisse) hat die Fachgruppe Faserverbundkonstruktionen FVK der ZHAW in den letzten 20 Jahren Modulkörper aus faserverstärkten Kunststoffen entwickelt. Mit den Neuentwicklungen konnten als Erstbauwerke zwei spannende Projekte, die Kemptbrücke (2001) und die Schecobrücke (2009), in Winterthur umgesetzt werden. Nachfolgend werden die beiden Bauwerke kurz vorgestellt und deren Zustand nach 21 resp. 13 Jahren erläutert.
 
 
 
Die Kemptbrücke
Ein modulares Brückensystem aus Kunststoff
Im Jahr 2001 wurde die Kemptbrücke - in einer Zusammenarbeit der Fachgruppe FVK der damaligen ZHW und der Firma Swissfiber AG - als erster Bauwerk-Prototyp mit einem neuartigen Brückensystem aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) erstellt. Mit diesem Prototyp hat die FVK-Gruppe die Funktionstauglichkeit des Systems getestet, bevor dieses bei der Brücke zur Wolke an der Expo 02 in Yverdon angewendet wurde.
Durch die konsequente Modularisierung und die Entwicklung einer Bauform, welche speziell auf den Werkstoff ausgerichtet ist, gelang zum ersten Mal eine zu herkömmlichen Baustoffen konkurrenzfähige Brücke aus GFK.

Die 18 m lange und 850 kg schwere Brücke besteht zu 95% aus faserverstärktem Kunststoff (FVK). Ausnahmen bilden die Schrauben und Nieten zur Befestigung des Belages und des Geländers. Die Nutzlast der Brücke beträgt 400 kg/m2.
Dank ihrem sehr kleinen Eigengewicht waren keine aufwendigen Auflager notwendig. Die Brücke wurde nach einem kleinen Aushub ohne Einsatz grosser Maschinen im November 2001 von Studierenden des Studiengangs Bauingenieurwesen der ZHAW direkt in den gewachsenen Boden eingebettet.
 
 
 
Entwicklung Hauptträger
Für den Hauptträger musste die FVK-Gruppe eine möglichst optimale Form finden, welche die Materialeigenschaften bestmöglich nutzt. Ein Doppel-T-Träger wäre aufgrund des geringen Materialverbrauchs bei grosser statischer Höhe ideal. Nachteilig bei diesem Querschnitt ist jedoch, dass der Druckgurt bei zu hoher Last ein Stabilitätsproblem aufweist (Kippen). Bei einem runden Querschnitt entsteht dieses Problem nicht. Der Materialverbrauch ist jedoch bedeutend grösser. Der optimierte Querschnitt ist annähernd oval.
 
 
 
Tragkonstruktion
Die Tragkonstruktion der fertigen Brücke besteht aus 1 m langen Hohlkörpern mit dazwischen geklemmten Querschotten aus Glassfaserverbundkunststoff GFK. Mittels Vorspannstangen wurden die FVK-Elemente zusammengespannt. Nachträglich aufgeklebte Kohlefaserlamellen ersetzen für den Gebrauch die provisorischen Vorspannstangen. Da es sich um eine Erstanwendung handelt, wurden die Stahlstangen aus Sicherheitsgründen für die erste Nutzungsphase in der Brücke belassen.
Die Querschotten tragen den aufgenieteten Belag und die Auflasten. Die Geländerpfosten sind an die Querschotten angeschraubt. Die Geländerausfachung und der Handlauf bestehen aus einem Formteil, welches über die Geländerpfosten gestülpt und angenietet ist.
Bestandesaufnahme
Seit 2001 wird der Zustand der Kemptbrücke vierteljährlich optisch beobachtet und seit 2009 die Veränderung der Durchbiegung in der Mitte der Spannweite gemessen. Es konnte über die Jahre keine Zunahme der Durchbiegung festgestellt werden. Die gemessenen Deformationen bewegen sich dabei alle in einem ähnlichen Bereich von 10 +-2 mm. Dies ist mit den Temperaturschwankungen Winter/Sommer erklärbar. Abgesehen von leichter Verwitterung, etwas Moosbewuchs und leichten Schadstellen beim Zu-/Abgang der Brücke, vermutlich infolge eines Fahrradanpralls, sind keine grösseren Beschädigungen zu erkennen. Ein vor Jahren aufgespraytes Graffiti ist nicht mehr sichtbar.
 
 
 
Die Schecobrücke
Eine hybide Fachwerkkonstruktion in glasfaserverstärktem Kunststoff und Stahl
Bei einer Fussgängerbrücke über die Eulach in Winterthur hat die Fachgruppe FVK das selbstentwickelte Platten-Scheiben-Modul (PSM) erstmals bei einem Bauprojekt als Brückenplatte eingesetzt. Sie verbindet das ehemalige Scheco-Areal mit der Talwiesenstrasse auf Höhe der Johannisstrasse. Die 18 m lange und 6 Tonnen schwere Brücke wurde komplett im Werk fertiggestellt und am 2. April 2009 montiert. Die GFK-Tragplatte wiegt nur 40 kg/m2 und ist somit ca. 13-mal leichter als eine gleich dicke Stahlbetonplatte.
 
 
 
Entwicklung und Herstellung
Das Platten-Scheiben-Modul (PSM) wurde in einem durch die KTI unterstützen Forschungsprojekt entwickelt. Dieses sogenannte PSM-Modul entsteht durch die Aneinanderreihung von mehreren mit Glasfasern umwickelten quadratischen Hohlprofilen. Die aneinandergereihten Hohlprofile werden ebenfalls mit Glasfasern zu einem «Paket» umwickelt. Im Anschluss werden die Fasern mit dem Vacuum-Assisted-Resin-Infusion-Verfahren (VARI-Verfahren) vollständig mit Kunstharz getränkt. Die einzelnen PSM-Module können wiederum aneinandergereiht und mit weiteren Glasfaserlagen sowie Kunstharz untereinander verbunden werden. Zur Aussteifung der Tragkonstruktion werden in den Hohlprofilen diagonale Kreuze platziert.
 
 
 
Bestandesaufnahme
Eine Woche nach der Brückenmontage führte die FVK-Gruppe die Nullmessung der Durchbiegung durch. Seither wird die Brücke vierteljährlich inspiziert und vermessen. Die Messungen der absoluten Verformungen in Brückenmitte schwanken gegenüber der Nullmessung im Bereich von -8 bis +15 mm. Dies ist auf die Temperaturschwankungen zurückzuführen. Der Stahlobergut und der GFK Untergurt haben unterschiedliche Temperaturdehnungen. Eine Zunahme der Durchbiegung über die Zeit konnte nicht festgestellt werden.
Im November 2013 entdeckte die FVK-Gruppe eine Schadstelle an der Brücke. Im Bereich des zweiten Geländerauflagers auf der Seite Talwiesenstrasse flussabwärts waren am GFK-Randträger Risse sichtbar. Des Weiteren hatte sich das Stahlfachwerk von der Brückenplatte gelöst. Die Art und Lage des Schadens deuten stark auf eine Überlast durch ein unerlaubtes Befahren der Brücken hin. Als Sofortmassnahme hat die FVK-Gruppe den Knoten anfangs 2014 unterstützt und im Dezember 2014 den beschädigten Knoten instandgesetzt. Seither kamen keine weiteren Schädigungen hinzu. Die Durchbiegungen sind im ähnlichen Bereich wie vor der Instandsetzung.