Sehr geehrte Damen und Herren
Während meines Medizinstudiums habe ich in der ambulanten Pflege gearbeitet. So bin ich auch zu einem Ehepaar in die Wohnung gekommen, der Mann war bettlägerig. Während ich ihn wusch, schlug er mir unvermittelt ins Gesicht, sprach Drohungen und Verwünschungen aus. Mir war zwar bekannt, dass er dement war. Trotzdem überraschte und enttäuschte mich sein Verhalten.
Für die Mehrheit betreuender Angehöriger sind solche Übergriffe zum Glück nicht Alltag. Dennoch kommen sie oft an ihre körperlichen oder psychischen Grenzen: Ihr gesamter Fokus ist auf die ihnen nahestehende Person gerichtet, daneben lastet der ganze Haushalt und eventuell noch eine Arbeitsstelle auf ihren Schultern.
Dies jahrein, jahraus, ohne zu wissen, wie lange der Zustand dauert, ob er sich verschlimmert und was noch zu erwarten ist. Das führt früher oder später zu einer Überlastung der Angehörigen, wie eine Studie der ZHAW, der FHS St. Gallen und der Careum Hochschule Gesundheit zeigt. Es braucht deshalb mehr Angebote für betreuende Angehörige und eine stärkere Unterstützung durch Hausärztinnen und Hausärzte sowie die Spitex. Die Entlastung betreuender Angehöriger ist im Interesse von uns allen – schliesslich können wir alle in diese Rolle geraten.
Freundliche Grüsse Andreas Gerber-Grote, Direktor ZHAW-Departement Gesundheit
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